|
|
Eine
rissige Kopfparade
Von Astrid
Volpert
Neues Deutschland, 10. 10. 2008
( zur Ausstellung Galerie Berlin: Nachbilder – Gegenbilder
von Lutz Friedel )
Der
Maler Lutz Friedel, Jahrgang 1948, hat Plakate seiner eigenen Ausstellungen
in Brandenburg, St. Gallen, Hannover und auf Schloss Burgk bei Dresden
mit Köpfen übermalt. In der Galerie Berlin sind nun rund
70 dieser Exemplare zu wandprägenden Tableaus geordnet. Allein
die in altmeisterlichen Tönen gebundene Ölfarbe auf dem
Gebrauchspapier bedeutet schon eine kleine Provokation des Augenblicks.
Sie verbindet den ökologischen Effekt der Kunst (Wiederverwendung
des Materials) mit Sinnbildlichem. Außerdem zeigt sie unverhohlen
im Ernst des Farbenspiels, dass Malerei kein abgeschlossener Vorgang
sein muss. Friedel produziert in logischer Konsequenz und mit einer
gehörigen Portion Lust an der Verwandlung hier tatsächlich
ein Bild aus dem anderen. Die Vorgängerspur ist noch sichtbar,
wenn vom Grund Zeichenhaftes, Typografisches aufschimmert. |
|
|
Noch
spannender, herausfordernder für den Betrachter ist der Umgang
des Künstlers mit seinen Motiven. Trotz verfremdeter Umrisse,
Dehnungen und Stauchungen, trifft man, ohne die jeweiligen Bildtitel
an der Wand zu lesen, mehrheitlich auf bekannte Gesichter: Der Maler
schlüpft wie ein Schauspieler in alle nur denkbaren Gestalten
der Zeitgeschichte wie auch der Gegenwart, um schlussendlich in
seiner Collage dieses »Wallhall der Nichtse« von Bild
zu Bild zu behaupten – dies sei er selbst!
|
Selbst
als
Sebastian de Morra -
Hommage á Velazquez
1980
|
|
Wer
Friedel kennt, erinnert sich vielleicht an sein frühes, vor
fast 30 Jahren entstandenes Bild »Selbst als Sebástian
de Morra – Hommage a Velázquez«. Der Zwerg als
Hofnarr mit verschlossenem Mund und Beinprothese auf einem Stapel
von Zeitungen – es ging damals in der DDR nicht bloß
um physiognomische Ähnlichkeiten zum berühmten Vorbild:
Er schuf mit dieser malerischen Metapher in Blau-Grün vielmehr
eines der wenigen authentischen Zeitbilder, die das Schicksal einer
Jugendgeneration verkörperten, die durch ihr Umfeld, die Gesellschaft,
in die Schranken der Isolation und des Stillhaltens gewiesen war.
1984 ging der expressive und nachdenkliche Maler, der 1977 bis 1980
Meisterschüler bei Bernhard Heisig in Leipzig gewesen war,
nach Westberlin; nach der Wende tauschte er den Kreuzberg mit dem
Prenzlauer Berg.
|
|
|
Würden
seine Konterfeis nur auf Genies der eigenen Zunft zielen, geriete
der Blick ein wenig eitel. Die Malerkollegen – Rembrandt,
Goya, Munch, Heckel, Liebermann, auch Dichter und Philosophen wie
Kleist, Johnson, Walter Benjamin, das überrascht nicht. Aber
Mann und Frau? Politiker, Revolutionäre, Staatsmänner
und sogar Tyrannen und Terroristen? Friedel lässt in seiner
bunt gemischten Kopfkartei nichts aus, die finstersten Figuren des
realen Welttheaters in Reih und Glied gehängt neben den Feingeistern.
Paradies und Hölle liegen dicht nebeneinander. Ihre Darstellung
und Verknüpfung durch den Maler lässt die Gemälde
auf Papier zu Gegenbildern von Erinnerung und Identität werden.
|
|
|
Nachdem
die Gegenwartsmalerei den Weg aus ihrer Krise fand, mischen in letzter
Zeit nun auch Figur und Porträt wieder vehement im Ausstellungsgeschehen
mit. Lutz Friedel hat auf den neuen Markttrend nicht erst gewartet.
Seit mehr als zehn Jahren schon beschäftigt den Maler und Holzbildhauer
wieder die menschliche Gestalt. Sein Bildervorrat ist immens und
er entwickelt im jeweiligen Werk beeindruckende Dichte, Energie
und Eleganz gesehener und gedachter Konstellationen und Konflikte
des Individuums und Universums Mensch.
|
Nächtliches
Atelier
2008
|
|
Das
Galeriekabinett illuminiert die Ateliersituation: ein Raum, in dem
die Wendeltreppe auf eine zweite Ebene führt bzw. in den Außenraum.
Friedel malt variierend immer wieder eine nach oben offene Schaubühne
für alle nur denkbaren Geister und Gespenster, die sich ihm
dort als Modell hingeben – hoch über ihnen die blaue
Nacht, Mond und Sterne.
Verglichen
mit den Gemälden wirken seine bemalten Skulpturen aus Holz
spröde und fest (Eiche!); sie haben teilweise Bodenhaftung,
sind dennoch keineswegs eben und glatt, ihre Gesichter weisen Risse
auf. Ideal fürs Schaufenster der »Januskopf« –
die eine Seite zur Straße gewandt, die andere in den Galerieraum.
|
|